Forum E Nr.6/2000, S. 22,23 Schulleitung 2000 - Fachkongress
des VBE am 15. und 16. September in Fulda von
Ben Grewing Vermittler,
Katalysator, Planer, Animator, Motivator, Manager, Koordinator, Funktionär,
Vorbild, Abfallkübel, Babysitter, Parkplatzwächter, Sozialberater und Pädagoge,
so beschrieb Dr. Eckinger, Bundesvorsitzender des VBE, etwas pointiert zu
Beginn seiner Rede die unterschiedlichen Rollen von Schulleiterinnen und
Schulleitern. Zuvor hatte schon Gisela Lindemann von der VBE-Bundesleitung in
ihrer Einführungsansprache auf die außerordentliche Aufgabenkomplexität
moderner Schulleitung hingewiesen. Das
Aufgabenspektrum von Schulleiterinnen und Schulleitern, so Eckinger, habe die
Tendenz zu immer weiterer Ausdehnung. Zu vergleichen sei es allenfalls mit dem
Bild aus der Sagenwelt, in dem ein Ritter sich gegen einen vielköpfigen Drachen
zur Wehr setzen muß, dem beständig neue Köpfe wachsen. Und obwohl die gesellschaftliche
Anerkennung meist ausbleibe, sei Schulleitung mit Management vergleichbar. Als
Grund für die vielfach schwierige Situation von Schulleiterinnen und
Schulleitern nannte Eckinger die komplizierte und konfliktreiche
Kompetenzabgrenzung der Schulleitung gegenüber dem Kollegium, gegenüber den
Schulaufsichtsbehörden und gegenüber den Schulträgern. Dennoch gebe es Zeichen
für ein Umdenken. Die Schulaufsicht sei inzwischen lediglich Rechtsaufsicht.
Schulleiterinnen und Schulleiter könnten sich heute auf den Grundsatz der
pädagogischen Freiheit berufen. Und auch Schulkonferenzen verfügten inzwischen
über eine Reihe von Kompetenzen. Angesichts
eines sehr differenzierten Aufgabenspektrums sprach sich der
VBE-Bundesvorsitzende vor allem für die Professionalisierung dieses schulischen
Spezialberufs aus. Dabei werde es in erster Linie um pädagogische Führung, also
den Kernprozess von Schule, gehen. Administrative Gesichtspunkte müßten in den
Hintergrund treten. Das setze wissenschaftliche Aus- und Weiterbildung voraus.
Eine Lehrkraft, die in die Schulleitung wechsele, wechsele auch den Beruf.
Schulleitung sei nicht Unterricht mit ein paar Verwaltungsaufgaben.
Schulleitung sei eine Leitungsaufgabe mit Lehrauftrag. Den
beiden einleitenden Vorträge folgte eine Podiumsdiskussion, die von Mira
Futász, der Pressereferentin des VBE, moderiert wurde. Der im Programm angekündigte
Titel „Let’s Talk about Schools“ ließ zwar eher eine assoziative Herangehensweise
an das Thema des Kongresses vermuten, doch die Podiumsdiskussion griff dann
konsequent neben zahlreichen aktuellen Problemen einer modernen Schulleitung
unter anderem die kontrovers geführte Diskussion über eine interne und/oder
externe Evaluation auf. Prof.
Vogelsang, Leiter des VBE-Referates Schulverwaltung/Schulaufsicht, beschrieb
Evaluation als eines von vielen Schlagworten, mit denen Schulleitungen
heutzutage konfrontiert würden. Gleichzeitig machte er darauf aufmerksam, dass
eine fundierte Evaluation mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden sei.
Botho Priebe aus Leipzig strich demgegenüber die Vorzüge von Evaluation heraus.
Eine moderne Schulentwicklung, so seine Auffassung, sei ohne Evaluation als
Basis gar nicht möglich. Vor diesem Hintergrund plädierte er dafür, dass
Schulaufsicht sich selbst für externe Evaluation stark mache. Monika
Schüller-Diewald argumentierte im Gegensatz zu ihren Mitdiskutanten eher aus der
Sicht der Lehrerkollegien. So fragte sie, wo denn überhaupt die Kriterien
seien, mit denen man einen guten Schulleiter oder eine gute Schulleiterin
beurteilen könne. Immerhin bekämen Lehrerinnen und Lehrer ein gutes Feedback in
der Regel von ihren Schülerinnen und Schülern. Helga Sachse-Höfle machte auf
die Bedeutung einer reibungslosen Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und
Kollegium aufmerksam. Den
zweiten Tag des Kongresses leitete Prof. Schratz von der Universität Innsbruck
mit „The Lemming Dilemma“ ein, einer englischen Erzählung, die recht plastisch
die Sorgen und Nöte eines kleinen Lemmings beschreibt, der sich nicht wie die
anderen von der Klippe stürzen will. Auch Schulleiterinnen und Schulleiter, so
Schratz, stünden immer wieder vor der Schwierigkeit, aus dem alltäglichen Trott
heraus die Kraft zur Innovation zu finden. Mit diesem eher humoristischen
Einstieg bezeichnete Prof. Schratz gleichwohl direkt ein zentrales Problem der
Schulleitertätigkeit. Die Anforderungen an diese Position seien derart
vielfältig und komplex, dass die Versuchung groß sei, den Alltag zu
organisieren statt wirklich Führung auszuüben. Dennoch gebe es einen Maßstab
für die Arbeit von Schulleiterinnen und Schulleitern. Sie müssten ihre Arbeit
an der Qualität ihrer Schule ausrichten. Auch
Schratz sprach sich für die Evaluation von Bildungsprozessen aus. Dazu gehöre
auch die Position des Schulleiters. Evaluation beschrieb er als das Bemühen,
die Qualität von Prozessen und Produkten zu verstehen. Wenn man keine Vision
habe, habe man auch kein Motiv, sich anzustrengen. Natürlich wisse auch er, so
Schratz zum Schluss seines Vortrages, dass Evaluation im Kollegium oft eine
Reaktion hervorrufe, wie das Schlagen auf das Dach eines Hühnerstalls. Erst
herrsche große Aufregung, dann ließen sich alle wieder an ihren angestammten
Plätzen nieder. Die
folgende Podiumsdiskussion griff noch einmal die zentralen Themen der Schulleitung
auf. Nach zwei Kurzreferaten von Prof. Rosenbusch von der Universität Bamberg
und Gisela Seidel vom Institut für schulische Fortbildung und schulpsychologische
Beratung in Boppard entwickelte sich eine recht lebhafte Diskussion mit dem
Plenum. In
der Diskussion herrschte bald Einigkeit darüber, dass Schulleiterinnen und Schulleiter
vor allem eine gründliche Ausbildung brauchen. Als zweites wichtiges Standbein
wurde die ständige Fort- und Weiterbildung genannt. Doch diese Voraussetzungen
sind hierzulande noch lange nicht selbstverständlich. Die Rahmenbedingungen für
Schulleitungen sind in den einzelnen Bundesländern nach wie vor sehr unterschiedlich.
Meist gibt es nicht die notwendige Ausbildung. Und wenn es sie gibt, ist sie entweder
nicht ausreichend oder aber sie beschränkt sich auf die Freiwilligkeit der Teilnehmer. Alle
Diskutanten sahen den Schulleiter in der Rolle des Motivators und Kommunikators.
Nur so könne er gemeinsam mit dem Kollegium die Qualität der Schule bestimmen
und seine Aufgaben erfüllen. Viele wünschten sich, die Zusammensetzung ihres
Kollegiums stärker beeinflussen zu können als dies in den meisten Ländern
möglich ist. Die Übertragung von Personalkompetenz und Personalverantwortung
sei unbedingt nötig. Dabei blieb allerdings die Frage unbeantwortet, ob der
Schulleiter auch Personalentscheidungen treffen sollte, wenn Kolleginnen und
Kollegen ihren dienstlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Allgemein
wurde festgestellt, dass die Entlastung vom Unterricht nicht ausreicht, um alle
Schulleiteraufgaben erfüllen zu können. Arbeitszeituntersuchungen zur Schulleitertätigkeit
liegen freilich zur Zeit nicht vor. Deshalb wäre es sinnvoll, zuerst den zeitlichen
Umfang der Schulleitertätigkeit zu beschreiben. Dann könnte auch eine Mindestunterrichtsverpflichtung
für Schulleiterinnen und Schulleiter festgelegt werden. Die
Diskussion war, besonders, als das Publikum einbezogen wurde, von gegensätzlichen
Schwerpunkten gekennzeichnet. Während die Referenten auf dem Podium eher an der
Qualifikation von Schulleiterinnen und Schulleitern und gesellschaftlichen
Erwartungen an Schulleiterinnen und Schulleitern interessiert waren, standen
für das Plenum Fragen nach dem Status, dem Gehalt und der zeitlichen Entlastung
im Vordergrund. Der
Nachmittag gehörte der Diskussion in den zahlreichen Arbeitskreisen. Gesprächsbedarf
hatte sich während des vorangegangenen Programms genug angesammelt. Am
VBE-Schulleitertag nahmen 150 Schulleiterinnen und Schulleiter aus allen
Bundesländern, Verantwortliche aus Kultusministerien, Fortbildungsinstituten
und der Schulaufsicht sowie Erziehungswissenschaftler teil. Alles in allem gab
der VBE-Schulleitertag Gelegenheit, das mitunter sehr komplexe Tätigkeitsfeld
von Schulleiterinnen und Schulleitern einer breiteren Öffentlichkeit deutlich
zu machen. Dabei zeigte sich zugleich, dass die Professionalisierung der
Schulleitung der einzige Ausweg aus dem ‘Dilemma der Lemminge’ ist. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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