Forum E Nr.1/2000, S. 21,22

 

„Umweltbildung - vor neuen Herausforderungen oder ‘megaout’?“

VBE-Symposium zur Umweltbildung

 

von Ben Grewing

 

Seit Jahrzehnten wächst das Wissen um Umweltzerstörung, um Ursachen und Wirkungen. Doch gehandelt wird nach wie vor zu wenig. Die Liste der Umweltkatastrophen verbindet sich mit klangvollen Namen wie Exxon Valdez, Tschernobyl und Bhopal. Von noch größerer Tragweite sind schleichende Vorgänge wie Versteppung, Bodenerosion, Raubbau an Wäldern, Artenschwund, saurer Regen, Erwärmung des Erdklimas oder der Abbau der Ozonschicht. All diese Vorgänge sind seit Jahrzehnten bekannt. Geändert hat sich bislang wenig.

 

Vor diesem Hintergrund veranstaltete der Verband Bildung und Erziehung (VBE) am 12. November 1999 in Kooperation mit dem Deutschen Naturschutzring (DNR) in Berlin das Bildungspolitische Symposium, das das Thema Umweltbildung zur Diskussion stellen sollte. Umweltexperten aus Politik und Wissenschaft diskutierten die Frage „Umweltbildung - Vor neuen Herausforderungen oder ‘megaout’?“. Ziel war, Ansätze für eine Neubelebung und Umorientierung der Umweltbildung zu erarbeiten, zu diskutieren und nach Möglichkeit zu einem konstruktiven Konzept zu verdichten.

 

Unter den Teilnehmern des Symposiums herrschte Einigkeit darüber, dass es das wichtigste Anliegen jedes Lernprozesses ist, Wissen, Denken und Handeln in Einklang zu bringen. Die zentrale Frage war jedoch, wie dies für den Bereich der Umweltbildung erreicht werden könne? Und wie müßte eine Umweltbildung beschaffen sein, die sich dies zum Ziel nimmt? Dr. Schnappauf, der bayerische Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen, der zugleich Vorsitzender der Umweltministerkonferenz ist, machte zu Beginn klar, dass es beim Umweltschutz nicht ausreichen wird, sich auf die Position des Ordnungsrechts zurückzuziehen. Gerade dort, wo es darum gehe, Einstellungen langfristig zu verändern, habe die Umweltbildung außerordentliche Bedeutung. Albert Lippert, der Vizepräsident des DNR, hatte in seiner Einführung zuvor bereits darauf hingewiesen, dass die Umwelt-Konferenz von Rio de Janeiro ein Programm zur Verknüpfung von Umwelt- und Bildungspolitik formuliert habe.

 

Die Teilnehmer des Symposiums waren sich darüber hinaus einig, dass nun schon seit einigen Jahren qualitativ hochwertige Umwelterziehung in deutschen Schulen stattfinde. Themen des Landschafts- und Naturschutzes seien fester Bestandteil der Lehrpläne. Viele Lehrerinnen und Lehrer engagierten sich über die unmittelbare Umwelterziehung hinaus in ökologischen Fragen. Das ökologische Engagement sei  ohne Zweifel gewachsen. Vielfach werde der Zusammenhang zwischen Umwelterziehung und der Bewältigung von Umweltproblemen klar erkannt.

 

Auch Professor Dr. Vogt von der Clearingstelle Kirche und Umwelt an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Benediktbeuren und Professor Dr. de Haan, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Umwelterziehung, waren übereinstimmend der Ansicht, dass in deutschen Schulen seit einigen Jahren eine Umweltbildung mit hohem Standard stattfinde, sie betonten allerdings zugleich, dass der einmal erreichte Standard für die zukünftige Umweltbildung nicht reichen werde. Die Agenda 21 zeige deutlich, dass der Wandel der Einstellungen und die Bildung von vernünftigen Konsum- und Verhaltensmustern zentraler Bestandteil zukünftiger Umweltbildung sein müsse. Der Gedanke der aktiven Gestaltung im Sinne von Nachhaltigkeit müsse in den Vordergrund treten. Nur so werde Umweltbildung ihren Beitrag zur Gestaltung einer humanen Lebenssituation leisten. Die Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 habe den Begriff der „Nachhaltigkeit“ in die ökologische Debatte eingebracht. Auf Empfehlung des Sachverständigenrats für Umweltfragen, besetzt mit Experten aus allen gesellschaftlichen Bereichen, müsse das neue Leitbild der Nachhaltigkeit curricular aufgearbeitet werden, und zwar im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich der Bildung ebenso wie im ökonomischen und politisch-sozialen. Professor Dr. Reichholf von der Zoologischen Staatssammlung München, zugleich Mitglied des Präsidiums der Umweltstiftung WWF Deutschland, hob in diesem Zusammenhang die besondere und bislang zu wenig beachtete Rolle der Landwirtschaft für den Klimakreislauf hervor.

 

Im Verlauf des Symposiums zeigte sich deutlich, wie eine Neubelebung der Umweltbildung gelingen könnte. Eine Optimierung der Umweltbildung könnte es zum Beispiel sein, dass Ursachen für Umweltprobleme nicht allein nur in einem politischen oder wirtschaftlichem System gesucht würden. Gerade Umweltbildung wird offenbar die Ursachen für ein problematisches Verhalten auch in den Denk- und Handlungsweisen des Einzelnen suchen müssen. Umweltbildung muss, so die Teilnehmer des Symposiums, schon in der Kindheit Grundeinstellungen, Verhaltensweisen und Haltungen prägen.

 

Bei der Podiumsdiskussion am späten Nachmittag, unter der Leitung von Dr. Reichel, dem Koordinator des BLK-Programms „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, zugleich KMK-Beauftragter für Umwelterziehung, wurde allerdings deutlich, dass es für eine Reform der Umweltbildung keine zusätzlichen finanziellen Mittel geben wird. Dies machten Wolf Michael Catenhusen MdB, Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, und Herbert Reul MdL, Vorsitzender des CDU-Bundesfachausschusses für Bildung, Forschung und Kultur und zugleich Generalsekretär der CDU in NRW, ebenso deutlich wie Matthias Berninger MdB, Bildungspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Gleichzeitig wurde aber erkennbar, dass zu den naturwissenschaftlichen Themen zunehmend auch kultur-, sozial-, politik- und wirtschaftswissenschaftliche Ansätze zur Entwicklung von Lösungswegen beschritten werden müssen. Schulen müssen demnach in größerem Maße ihr unmittelbares Umfeld nutzen. Umweltbildung finde nicht nur in Klassenräumen statt. Authentischere Erfahrungsräume böten Ereignisse der unmittelbaren regionalen Umgebung. Der Tenor der Politiker-Statements war, daß der Ruf nach mehr Geld ebenso verfehlt sei wie unentwegtes Moralisieren.

 

In seinem Schlusswort fasste der VBE-Bundesvorsitzende zusammen: „Wir müssen in der Umweltbildung zum Teil umdenken und zeigen, was ‘Nachhaltigkeit’ konkret bedeutet. Wir brauchen eine integrative und nachhaltige Umweltbildung, die Wissen nicht nur theoretisch vermittelt, sondern erlebnisorientiert und praxisnah vertieft. Wir brauchen eine kreative Umweltbildung, die bewußt macht, dass keine unserer Handlungen ohne Folgen bleibt, und die zugleich zeigt, wie jeder Einzelne aktiv mitgestalten kann. Wir müssen die Ebene des Kognitiven stärker verlassen und den Kindern und Jugendlichen helfen, sich als Menschen in einer vernetzten Umwelt zu begreifen. In den Schulen muss eine Art ‘Ökoreform’ in Gang kommen.“

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